Textprobe

ZWIEBELFISCH, der

blicke, blickeln, plickling, hasling, ocken, öckeln, uckeley, welszfisch (alburnus/alburnus piscis), Zwiebelfische (albulae leucisci), zwieffelfisch, zwibelfisch, zwifelfisch, zwibelfischlin, zwiebelfischlein.

"... Es mag einen nicht wundernehmen, dass die Vielzahl der ausgebreiteten Namen, die untereinander keineswegs eine solche Verbindung anzeigen, zu der Annahme verleiten, dass diese einen Einfluss gehabt haben muss, zumal beim Gang durch die Historie, im Besonderen vor dem langen Krieg, keine Stelle aufzufinden war, und darum nicht nachweisbar, wo doch in Ländern, die von diesen Wirren verschont geblieben sind und darum die Kultur als eine originär aufblühende sich zu entfalten wusste, vor dieser Zeit geradezu gedrängt wurde, gleichsam aus sich herausgetrieben, in stiller doch gärender Abgeschiedenheit, obzwar andersnamig, so doch denselben Fakt bezeichnend, in verschiedenen Quellen man diesen zu entdecken vermochte.

Wenn nicht in allgefälligen Sittengeschichten, so wohl doch als unzählige Warnbilder in theologischen Traktaten und volksnahen Predigten, namentlich der früheren Jahrhunderte, die vielfältigerer Unbill ausgesetzt waren, als wir sie heute auch nur kennen, wie sie, nicht ohne umsichtige Hinweise auf vormalige Urkunden von Landvögten, in Haushaltspapiere Eingang gefunden und so Spuren ihres oft unsäglichen Wirkens hinterlassen haben. Über dieses selbst aber schweigen sich alle Schriften eigentümlich aus, als ob vermöge dieser Stummheit die drohende Gefahr hätte abgewehrt werden können.

Diese entgingen gleichwohl nicht demselben Schicksal, das anderen Schriften ältester, vornehmlich griechischer Herkunft widerfuhr, da pfäffische Unduldsamkeit in Klöstern, Abteien, ja später noch fürstbischöflicher Obhut, dem Gläubigen vorzuenthalten sich verpflichtet dünkte. So sind nicht nur viele wertvolle Handschriften in nur fälschender Absicht auf uns gekommen und damit schier gänzlich verloren, sondern Gebräuche und Sitten des Volkes unbekannt geworden, da sie der allnährenden Mutter Kirche in ihrer Absicht das Volk im Glauben stark und im Handeln schwach zu halten, dawiderlief, darum sind diese Zeugnisse heute ausgelöscht und unserem Zugriff auf immer entrissen.

Dies zu beklagen, soll hier nicht die Feder geführt werden, vielmehr dem Kundigen entbergen, dass darüber hinaus vollkommen gesicherte Tatsachen, wenn auch nicht dem Einfluss des Klerus entzogen so doch von ihm unentdeckt geblieben sind. Im Schatten eines jeglichen Eifers blühen auch unbotmäßige Knospen.

Albulae leucisci, die 1541 erstmalig im deutschen Raum bei Franck und 1609 bei Uffenbach erwähnt sind, um sechzig Jahre später bei German Schleifheim von Sulsfort in dessen Werk einen Niederschlag zu finden, sind, so müssen wir heute einräumen, völlig verschwunden. Ihr Ableben war 1743 gültig beschlossen als Geszner, es steht zu vermuten, dass ihm die Vielfalt der Namen die Sinne disturbierte und seine Hoffart angesichts der Ungestalt, ihm die Grobheit eingegeben hat, sie auf die Unzulänglichkeit des Buchdruckers, welches tut in diesem Zusammenhang nichts zur Sache, zurückzuführen und also einzuschränken. Selbst wenn wir die katastrophischen Wirrnisse der Zeit  ( sie sind selbst durch den Welschen bezeugt ) und die mangelnde Erfahrung der lange geheim gehaltenen Afentur und Kunst des Gensfleisch zur Laden konzedieren, bleibt sein Verhalten unentschuldbar.

Was der Heiligen Schrift zum Sieg verhalf, bedeutete für die albulae den Tod.

Wie überhaupt an dieser Stelle anzuführen ist: Das Übel der Zeit nicht nur besteht in einer Beschränkung eines jeglichen Vermögens, als vielmehr die Voraussetzungen fehlen, eines überhaupt erst ausbilden zu können. Um ihm jetzt und hier den Turban zu erhöhen, auch sintemalen er sich gleichfalls um die albulae bekümmert hat, mag Sachs mit seinen eigenen Worten diesen Unverstand geißeln: ´Secht wünder, wie die jungen lappen/sich reissen vmb die narren kappen.´

Löwenhalts Erfahrung, dass die `gescheiden Griechen und Latiner verständlicher geschrieben´möchten wir 350 Jahre später nur allzu beifällig teilen, zumal in einer Zeit, die der Sprache Zügel anzulegen weiß, auf dass aus einem Portemonnaie ein Portmonee und besser noch aus einer Malaise eine Maläse, aber dennoch kein Malör werde.

Eben diesem Umstand der scheinbaren Vereinfachung ist das Aussterben der albulae geschuldet, die heute lediglich noch einer Unachtsamkeit den Namen leihen dürfen."

Egidius Renz, Geschichte des Platteis, in: Jubiläumsgabe der Mitteilungen der Internationalen Egidius-Renz-Gesellschaft, hg. von Orlando Metzler, Tübingen 2011